Rene Ejury: Regionale Schulentwicklung in Berlin und Brandenburg 1920-1995.
Sozialgeschichtliche Analyse der Wechselbeziehungen zwischen Schulreform und regionalen Ungleichheiten der Bildungsbeteiligung

Zusammenfassung

Die historische Untersuchung von Ungleichheiten im deutschen Bildungswesen hat seit Peiserts Arbeit Tradition. Dennoch liegen für die Region Berlin-Brandenburg praktisch keine Arbeiten vor, welche ihre Aufmerksamkeit auf die binnenregionalen Disparitäten der Schulsysteme im 20. Jahrhundert richten. Diese Forschungslücke soll mit der vorliegenden Arbeit auf Basis einer Sekundäranalyse von Daten zur Schulstruktur und zu Schülerzahlen gefüllt werden. Die Analyse basiert dabei auf dem Datenbestand des DFG-Projektes "Regionale Schulentwicklung im Ost-West-Vergleich 1920/45-1995".

Im Ergebnis kann die Untersuchung zeigen, dass Prinzipien von Expansion und Differenzierung die Schulentwicklung in allen Phasen zwischen 1920 und 1995 bestimmt haben. Hierbei diente die externe Differenzierung der Schulsysteme unter Marktbedingungen zur Ablenkung neuer, bildungsmotivierter Schülergruppen und somit zur Sicherung der Exklusivität weiterführender Bildungswege. Diese äußere Differenzierung hatte somit eine ähnliche Funktion im Reproduktionsprozess der Bildungseliten wie die innere Differenzierung des Schulsystems der DDR. Besondere Bedeutung kommt in der Entwicklung binnenregionaler Bildungsungleichheiten demographischen Einflüssen zu, da die extremen Schwankungen in den Geburtenzahlen im letzten Jahrhundert einen sehr dynamischen Rahmen für Schulentwicklung boten. Als wesentlich konnte gezeigt werden, dass, entgegen der Annahme, zurückgehende Schülerzahlen würden die Bildungssituation verbessern, die Phasen von Schülermangel gerade in langfristiger Perspektive durch eine erhöhte Konkurrenz zwischen den Schulen negativ auf binnenregionale Ausgleichstendenzen wirkten.

Die Entwicklungen der binnenregionalen Disparitäten zwischen 1920 und 1989 zeigen in der Region Berlin-Brandenburg gegensätzliche Ergebnisse. Ausgehend von ähnlichen Unterschieden zwischen den östlichen und zwischen den westlichen Bezirken Berlins am Anfang des Untersuchungszeitraumes verringerten sich die Disparitäten zwischen den westlichen Bezirken Berlins nach 1945 nur unwesentlich und blieben dann, ebenso wie die allgemeine Segmentierung der Stadt, bis 1989 nahezu unverändert. Im Gegensatz dazu wurden binnenregionale Unterschiede im Bildungswesen der SBZ/DDR nach 1945 sehr schnell und wesentlich stärker abgebaut und angeglichen. Besonders die Limitierung der Abiturientenzahlen nach 1971 begrenzte zusätzlich die Sonderrolle, die die damalige Hauptstadt Ost-Berlin im weiterführenden Schulbereich eingenommen hatte. Regionale Disparitäten im Bildungssystem bestanden jedoch auch in Ost-Berlin und den Bezirken Brandenburgs, allerdings eher in verdeckter Form des regional ungleich verteilten Angebotes der Spezialklassen und Spezialschulen, weiter.

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